Der Zerfall der Welt

2022-08-23 ANSPRACHE-aktuell

Ich bedenke das gerade herrschende Gefühl vom „Zerfall der Welt“ und stelle dem einen Rat und ein Gedicht des katholischen Schriftstellers Reinhold Schneider (1903–1958) entgegen.*

Der Zerfall der Welt

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Viele Menschen fühlen sich gerade, als zerfalle die Welt. Ein kurzer Rückblick in die letzten 20 Jahre erklärt etwas dieses Gefühl:         


- der 11. Sept. 2001 erschüttert die USA und die Welt
          - 2014 - Russland überfällt die ukrainische Halbinsel Krim
          - 2015 - große Flüchtlingskrise in Europa 
          - 2017 – 2021 in den USA regiert (und wütet) Präsident Trump
          - 2020 – bis … Corona 
          - 2022 - Russland überfällt die Ukraine

Infolge des Krieges in der Ukraine und unserer Unterstützung des überfallenen Landes kommt es zu Gasmangel. Zugleich weitet sich die Hungerkrise in der Welt dramatisch aus – es ist außerdem ein überheißer Sommer in Europa mit schwerem Wassermangel und zuletzt einem vergifteten polnisch-deutschen Fluss Oder.

Die Welt scheint zu zerfallen. Zudem wächst das Gefühl, in manchen Staaten könne heute jeder und jede tun, was er oder sie will.

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Dieses Gefühl des äußerlichen Zerfalls berührt auch die Seele vieler Menschen. Manche stemmen sich dagegen mit allen Mitteln der Liebe und der Zuneigung – anderen fehlen diese Mittel. Wer seelisch nicht stark war, wird noch schwächer oder droht zu zerfallen. Die Kräfte, um zu widerstehen, lassen nach oder sind nicht mehr da.

Es ist nicht übertrieben zu sagen: Viele Menschen sind mit ihren Kräften am Ende.

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Es gibt kein Rezept gegen das Gefühl des Verfalls. Manchmal haben Menschen nicht die Stärke, die sie dringend brauchen. Dann sehen sie sich um und fragen: Woher kommt mir Hilfe?

Der katholische Schriftsteller Reinhold Schneider (1903–1958) lebte als entschiedener Gegner in der Zeit des sog. „Dritten Reiches“; er war seelisch krank und fühlte sich oft hilflos. Eins ließ er sich aber nicht nehmen. Er suchte für seinen Alltag die Kraft des Gebetes. Woher kommt mir Hilfe?, fragte er. Und antwortet sich und anderen: Ich wende mich mit meinen Worten an Gott, den Herrn des Himmels und der Erde. Mein Beten, das wusste Schneider, macht die Welt nicht besser, aber es macht mich etwas ruhiger. Ich gebe Sorgen aus meiner Hand und bitte Gott: Nimm dich meiner, nimm dich unserer Sorgen an.

Sein berühmtestes Gedicht aus dem Jahr 1936 ist heute so wichtig wie damals und beginnt mit der Strophe:

Allein den Betern kann es noch gelingen,
das Schwert ob unsren Häuptern aufzuhalten
und diese Welt den richtenden Gewalten
durch ein geheiligt Leben abzuringen.
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Ein „geheiligtes Leben“, ein Leben in der Nachfolge Jesu, ist uns möglich, jedenfalls ein wenig. Es wird uns helfen, ruhiger zu bleiben und niemanden alleine zu lassen. Oder, wie es in einer wunderbaren Liedzeile heißt (EG 369,7): … und trau des Himmels reichem Segen, so wird er bei dir werden neu.“

Michael Becker
mbecker@buhv.de

* Das ganze Gedicht finden Sie unter seiner ersten Zeile „Allein den Betern kann es noch gelingen“ auf zahlreichen Internetseiten.
Aus © rechtlichen Gründen darf es hier nicht in voller Länge gedruckt werden.